Erst eine Woche ohne Smartphone zeigte: Ich bin süchtig nach meinem Handy, nach dem Dopaminkick und den Mikrounterbrechungen. Und jetzt?
Eine Woche ohne Smartphone
Als ein Journalist im Freundeskreis rumfragte, ob jemand für eine Reportage eine Woche lang aufs Smartphone verzichten würde, war ich sofort dabei. Dass ich oft am Handy war, wenn meine Kinder mir dringend etwas erzählen wollten, nervte mich schon lange. Ich hatte mir auch gerade das Buch «Verbunden» von Anna Miller besorgt. Das Timing schien perfekt und ich überreif.
Im Vorgespräch bemerkte Michael Feller von der Berner Zeitung, ich hätte doch schon eine gute Handy-Hygiene. Seit Jahren schaue ich morgens erst nach einer Stunde Morning Routine erstmals aufs Smartphone. Ich habe längst alle digitalen Geräte aus dem Schlafzimmer verbannt. Trotzdem bin ich durch meine Selbständigkeit viele Stunden allein und habe wenig Austausch. Das Smartphone ist meine Verbindung zur Aussenwelt und oft willkommene Ablenkung, wenn ich mir vorgenommen habe, fokussiert zu arbeiten.
Die Redaktion stellte mir für die Digital-Detox-Woche ein Dumbphone zur Verfügung, damit ich von unterwegs telefonisch und via old-school SMS erreichbar sein konnte. Ich handelte mir aus, dass ich vom Laptop aus, Whatsapp- und Signal-Nachrichten beantworten durfte, da ein Grossteil meiner beruflichen Kommunikation über diese Kanäle auf dem Smartphone läuft.
Kurs vor Start fühlte ich mich wie vor einer Fastenkur oder einem Schweigeretreat: leicht panisch!
Fast bereute ich meine Zusage. Völlig irrational ahnte ich Katastrophen voraus: Was wenn mir etwas durch die Lappen ging? Was wenn mich jemand suchte und mich nicht erreichen konnte oder schlimmer, vor verschlossener Türe stand?
Gleichzeitig kamen mir meine Sorgen absurd vor, denn ich würde ja weiterhin erreichbar sein. Einfach nicht ständig.
Ausgebremst
Meine Detox startete an einem Samstag. Ich schrubbte Küche und Bad und mir fiel auf, dass ich es diesmal nicht eilig hatte. Ich ging auch nicht immer wieder zum Regal, wo mein Smartphone üblicherweise liegt und wo ich kurz mit dem Putzhandschuh aufs Display tippe und Nachrichten checke.
Das Experiment hatte kaum begonnen und schon machte sich ein anderes Zeitgefühl in mir breit.
Ohne die vielen Mikrounterbrechungen durch Messages und ohne Sehnsucht nach dem nächsten Social-Media-Dopamin-Kick fühlte ich mich entschleunigt und angenehm ineffizient.
Mir fiel auf, wie viel entspannter ich war, wenn ich Nachrichten und Mails gebündelt vom Laptop aus beantwortete. Ganz automatisch richteten sich bestimmte Zeitslots ein, während denen ich sozusagen die Korrespondenz erledigte. Wenn ich unterwegs war, gab es ohne Smartphone nichts zu tippseln.
Ich hatte immer gedacht, es sei so effizient, Dinge sofort zu erledigen. Aber – wenn ich dieses Bild von Anna Miller ausleihen darf – das ist so, als würden wir jedes Mal einen Waschgang starten, wenn eine dreckige Socke in den Wäschekorb fällt. Je früher man antwortet, desto schneller kommt auch eine Nachricht zurück, die wieder abgearbeitet werden will. Ein Teufelskreis.
Einfach warten
Am Montag, als ich die Kleine vom Kindergarten abholte, wartete ich zum ersten Mal seit Jahren, ohne mein Smartphone zu zücken. Für einen Augenblick kam wieder Panik auf. Doch dann liess ich meinen Blick über die Baumkronen zum Himmel schweifen, sog die Weite in mir auf. Laut dieser SRF Input Sendung sind solche Pausen für das Gehirn besonders erholsam. Auch wenn ich zu Fuss oder mit der Tram unterwegs war, gab es kein Hintergrundrauschen durch einen Podcast, kein Sprachnachrichten-Abhören. Ich beobachtete und erlebte meine Umwelt.
Während mein Sohn Hausaufgaben machte, setzte ich mich neben ihn und las in einem Magazin, ohne ständig aufzuspringen, um aufs Smartphone zu schauen. Ich ging im Wald spazieren und hörte das Vogelgezwitscher, weil ich keine Kopfhörer aufhatte.
Nicht ausgebrannt, nur abgelenkt
Die letzten Monate fühlte ich mich wenig kreativ und fand keine Befriedigung beim Unterrichten – ein Gefühl, das ich in meinen fünfzehn Jahren als Yogalehrerin nie gehabt hatte. Mir schienen die Ideen auszugehen und ich musste mir die Klassen aus den Fingern saugen.
War ich einfach ausgebrannt? Oder war ich mittlerweile zu routiniert, so dass ich mich langweilte?
Die erste Yogastunde ohne mein Smartphone war eine Offenbarung! Auch meine Yoga-Musik spiele ich via Smartphone-App ab. Seit Apple Music auf Abosystem umgestellt hat, habe ich im Flugmodus keinen Zugang mehr zu meiner Musikbibliothek. Ich schalte deshalb nur auf «Do not disturb.» Das klingt nach keinem grossen Unterschied, aber psychologisch ist er gross: Beschämt muss ich gestehen, dass ich während der Schlussentspannung auch schon Nachrichten gelesen habe.
Vielleicht denkst du: Ist doch kein Drama.
Aber erst als ich nach Langem wieder ohne Smartphone unterrichtete, war ich fokussiert, hatte eine Idee nach der anderen und die Zeit verging im Flug.
Meine Hauptdroge war nicht im Raum. Ich war nicht abgelenkt und ganz bei der Sache. Wir kennen alle die Befriedigung, die der Flowzustand bringt. Wir sehnen uns danach, vertreiben sie aber paradoxerweise ständig mit unseren Smartphones, mit den unzähligen Entsperrungen und Mikrounterbrechungen.
Immer mal wieder fasten
Natürlich gab es Momente, wo ich ohne Smartphone auflief. Ich hatte meine Agenda nicht zur Hand, konnte mein Ebanking nicht nutzen und keine Fotos machen. Tram- und Bustickets musste ich am Automaten lösen. Morgens fragte ich meinen Mann, ob er für mich die Wetter-App checken könne. Aber ich wusste, es war nur vorübergehend.
Ich will das Smartphone nicht verteufeln und schätze weiterhin die Abläufe, die es im Alltag erleichtert. Ohne Google-Maps wäre ich oft aufgeschmissen.
Trotzdem war meine Smartphone-Sucht ein blinder Fleck.
Mir war nicht bewusst, wie tief die Gewohnheit von nur mal kurz Nachschauen und doch Hängenbleiben schon eingeschliffen war.
Ich nehme viel mit aus dieser Digital-Detox, gerade für fokussierteres Arbeiten und fürs Präsentsein im Familienleben. Vielleicht mache ich das jetzt alle paar Monate.
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