Dry January, Veganuary und was dann?

Dry January, Veganuary und Co. Einen Monat lang Verzichten geht gut und tut gut. Aber was passiert danach? Schlittern wir zurück in die alte Gangart? Oder holen wir gar das Verpasste nach?

Das muss nicht sein. Gesunde Gewohnheiten, ob an Verzicht oder ans Aufraffen zu neuen Aktivitäten gebunden, können auch auf Dauer gelingen. Wir müssen nur wissen, was uns unterstützt. (Schon letztes Jahr haben wir darüber geschrieben). Was zum Beispiel nicht hilft, ist wenn wir uns ein hochgestecktes Ziel setzen: Fünf Kilo abnehmen, Social Media-Detox oder Verzicht auf Alkohol. Wir sind hier und das Ziel scheint noch weit entfernt. Nicht besonders ermutigend.

Wir brauchen ein System, der uns jeden Tag dem Ziel einen kleinen Schritt näher bringt. Idealerweise auch einen Prozess, der uns ein gutes Gefühl gibt.

Wenn wir jeden Morgen unser Bett machen, nehmen wir die Identität einer ordentlichen Person an. Wenn wir jeden Tag genug Wasser trinken, fühlen wir uns als Mensch mit einem gesunden Lebenswandel. Wenn wir zu Fuss zur Arbeit gehen, fühlen wir uns wie jemand, der/die bewegungsfreudig und fit ist. Über unseren Prozess findet langsam ein Identitäts-Shift statt. Dieser ist der Schlüssel zur Aufrechterhaltung von neuen Gewohnheiten. Denn die alten passen dann einfach nicht mehr zu dieser neuen Identität.

Microgains - kleine Gewinne - bringen uns der neuen Identität näher

Es sind die täglichen Gewinne - „microgains“ - die mit den Monaten und Jahren auf das Konto der neuen Identität einzahlen. Mit jedem Tag ohne Zigaretten kommen wir der Identität "Nichtraucher/in" ein Stück näher. Liegt der Fokus auf den kleinen Schritten und der Wunschidentität, treffen wir automatisch gesündere Entscheidungen. Negative Gewohnheiten fallen von uns ab.

Doch wie bleiben wir bei unseren gesunden Gewohnheiten? Wie gelingt es uns, in unsere neue Identität hinein zu schlüpfen? Unten ein paar Empfehlungen.

Pimpe deine Umgebung auf gesunde Gewohnheiten

Ein Meditationslehrer erklärte mir einmal, sein Sitzkissen liege direkt neben dem Bett. Dann stolpere er beim Aufstehen gleich darüber und komme nicht ums Meditieren herum.

Gesunde Gewohnheiten fallen leichter, wenn wir die Umgebung mit visuellen Cues ausstatten, die uns daran erinnern. Diese funktionieren als Reminder und mit der Zeit sogar als Auslöser für unsere angestrebte Tätigkeit. Bei einer Verzichtgewohnheit gilt umgekehrt, dass wir die visuellen Trigger eliminieren. Beispielsweise im Falle von Dry January hilft es, keinen Alkohol im Haus zu haben oder in weit weg im Keller zu lagern.

Wenn deine angestrebte Handlung Yoga oder Joggen gleich am Morgen sind, kannst du die Matte schon am Vorabend ausrollen oder dir die Laufschuhe und -kleider bereitlegen. Wenn du mehr Früchte und Gemüse essen willst, pack dir die vitaminreichen Zwischenmahlzeiten in deine Tasche für den Tag. Wenn du sie aufmachst, wirst du automatisch an dein Vorhaben erinnert.

Photo credit: Kelly Sikkema

Die Umdrehung dieser Regel funktioniert auch. Wenn du Handy und Computer in ein anderes Zimmer legst und sie nicht im Blickfeld hast, kommst du gar nicht auf die Idee, dort hängen zu bleiben. Visuelle Cues haben viel mehr Einfluss auf uns, als wir für möglich halten.

Mach dir die Gewohnheit schmackhaft

Unser Gehirn ist immer auf sofortige Bedürfnisbefriedigung aus. In freier Wildbahn war diese Ausrichtung lebenswichtig: Die Nahrungssuche oder die Flucht vor natürlichen Feinden konnte nicht auf morgen verschoben werden. Die Bedürfnisbefriedigung zu verzögern fällt uns aufgrund dieser Urprogrammierung schwer. Schlechte Angewohnheiten wie Rauchen, Alkohol, Zucker oder Social Media machen uns sofort, wenn auch nur vorübergehend, glücklich und sind daher schwer abzuschütteln.

Wir können unser Gehirn aber ein bisschen austricksen, indem wir die gesunde Gewohnheit attraktiver machen. Wir können sie mit einer angenehmen Tätigkeit koppeln. Ich höre beispielsweise immer meine Lieblingspodcasts während ich mich durch meine Kraftübungen quäle. Wir können uns auch innerlich damit coachen, dass das eine das andere mit sich zieht: „Sobald ich meine Yogaübungen gemacht habe gibt's Frühstück.“

Photo credit: Joana Kosinska

Du kannst auch ein Motivationsritual für dich kreieren: Baue vor deiner neuen Gewohnheit etwas ein, das dir Freude macht. Zuerst einen Cappuccino, dann geh ich ins Fitness. Coache dich selbst, so dass eine Wunschhandlung eine gute Gewohnheit auslöst: "Sobald ich die News gelesen habe, räume ich eine halbe Stunde lang die Wohnung auf."

Mach dir die gesunden Gewohnheiten einfach

Musst du dich auch überwinden, früh aufzustehen, gesund zu essen oder dich zu bewegen? Wir können uns selber helfen, wenn wir Hindernisse im Voraus aus dem Weg zu räumen. Das bezeichnet man als Commitment-Strategie.

Vielleicht kündigst du dein Netflix-Abo, damit du abends zeitig im Bett bist? Oder du lässt einen Wocheneinkauf liefern und kochst eine gesunde Mahlzeit vor? Nutze auch die Technologie, die dir zur Verfügung steht: Stelle deinen Timer auf 45 Minuten und bewege dich für fünf Minuten, wenn er klingelt.

Ich bin ausserdem ein grosser Fan der zwei Minuten-Regel: Versprich dir selbst, dass du nur zwei Minuten lang aufstehen und deine Morning Routine beginnen musst. Und probier's auch aus: Lies nur eine Seite in deinem Buch lesen. Jogge nur zwei Minuten. Danach darfst du aufhören. Wirklich!

Zwei Minuten sind im Nu vorbei. Aber wenn wir mal angefangen haben, ist die Wahrscheinlichkeit grösser, dass wir auch weiterfahren. Spätestens nach ein paar Anläufen passiert das automatisch.

Hier geht's zu Videos für Mini-Yogasequenzen.

Das Wichtigste bleibt: Finde jene Gewohnheiten, die dir Freude bereiten. Wenn du gerne kletterst oder Fussball spielst, dann zwing dich nicht ins Fitnessstudio, nur weil das alle empfehlen. Wenn du bei deiner gesunden Gewohnheit Spass hast, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass du dabei bleibst. Deine Selbstwahrnehmung wird sich verändern und plötzlich brauchst du deine ungesunden Bewältigungsstrategien gar nicht mehr so dringend.

Quellen: