Wir denken immer, intensiver ist besser

Im Schwangerschaftsyoga kommt oft diese Frage zur mechanischen Geburtsvorbereitung: Dammmassage oder Epino? Beide Optionen sollen den Weg für eine Vaginalgeburt vorebnen. Ich empfinde vor allem Epino als zu invasiv und zu intensiv. Überhaupt will frau ab Schwangerschaftswoche 36 ja einfach ihre Ruhe haben.

Gleichzeitig haben wir aber alle das Mindset mitbekommen, dass härter und qualvoll auch effektiver und schneller bedeutet. Wir suchen geradezu die Grenzerfahrung.

Vor etwas über einem halben Jahr habe ich Pelvic Steaming – auch bekannt als Vaginal oder Yoni Steaming – entdeckt. Das Dampfbad für “da unten” ist eine sanfte und doch höchst wirksame Methode. Unzählige Frauen haben es über Jahrhunderte und auf allen Kontinenten als Hausmittel angewendet. Im letzten Jahrhundert und mit dem Vormarsch der Schulmedizin geriet Steaming in Vergessenheit. Marginialisierte Gemeinschaften mit wenig Zugang zu reproduktiver Medizin haben das Wissen glücklicherweise weiter gegeben.

Das Dampfbad für den Schossraum

Steaming ist einfach und funktioniert. Wer in einem Liter Wasser eine Handvoll Kräuter aufkochen kann, kann auch steamen. Noch besser funktioniert es, wenn die Kräuter auf unsere aktuellen Bedürfnisse abgestimmt sind. Brennessel ist beispielsweise eisenhaltig, Löwenzahn desinfizierend, Lavendel entspannend. 

Ganz wichtig: Der Kräutersud muss fünfzehn bis zwanzig Minuten abkühlen, wir wollen uns nicht die Vulva verbrühen! Es muss eben nicht intensiv sein. Ohne Höschen hocken wir uns dann für zehn Minuten über den aufsteigenden Dampf (im Stehen ginge auch).

Ich persönlich stelle die Pfanne direkt in die Kloschüssel und setze mich drauf. Ich schlinge mir eine Decke um die Hüfte, damit der Dampf schön konzentriert hochsteigt. Danach ohne Seife kurz die Vulva abduschen, fertig. 

Und was ist daran so toll? Steamen entspannt die Muskulatur, befeuchtet die Schleimhäute und stimuliert die Durchblutung. Über den Dampf erreicht die Wirkung der Kräuter unsere weiblichen Hormondrüsen, insbesondere die Gebärmutter. Da bei uns Frauen hormonell in jeder Lebensphase was los ist, ist die regulierende Wirkung von Dampf und Kräutern selten verkehrt.

Und um eins klarzustellen: Ich bin keine Expertin. Das ist meine Freundin, Diana Damian von @steamylicous. Aber ich fasse dir gerne zusammen, was sie mir vermittelt hat. 

Steaming für alle Lebensabschnitte 

  • Steamen rundum den Monatszyklus: Egal ob die Blutung regelmässig kommt oder lange ausbleibt, die Wärme stimuliert die Durchblutung im Schossraum und weckt die Hormondrüsen auf. Ich hatte immer einen eher langen Zyklus von 32-35 Tagen. Seit ich steame, kommt mein Zyklus zwar nicht nach 28 Tagen, aber dennoch pünktlicher als zuvor. Auch mein Hautbild hat sicher verbessert. Starke Stimmungsschwankungen in Zusammenhang mit PMS habe ich nur noch alle paar Monate.

    Durch die Entspannung im Beckenboden habe ich an den ersten Tagen der Menstruation kaum noch Schmerzen. Auch hat meine Blutung neuerdings eine leuchtend rote Farbe – ein Zeichen, dass keine Blutrückstände in der Gebärmutter stagnieren am Ende der letzten Blutung und kein Eisenmangel mehr vorherrscht.
  • Geburtsvorbereitendes Steaming: In den Wochen vor der Geburt entspannt das Vulvadampfbad Beckenboden und Muttermund. Ausserdem beruhigt Steamen das Nervensystem und verhilft uns zu einem tieferen Schlaf.

    ACHTUNG: Steamen ist während der Schwangerschaft, ganz besonders im ersten Trimester, nicht empfohlen. Placenta Praevia oder Eklampsie sind Gegenanzeigen für geburtsvorbereitendes Steaming.
  • Steaming im Wochenbett: Hier heisst es Steamen was das Zeug hält. Der Dampf erreicht durch den noch offenen Muttermund die Gebärmutter noch direkter. Er hilft zurückgebliebenes Blut auszuleiten und durchblutet das Gewebe. Der Beckenboden erholt sich schneller und Dammnarben heilen besser. 
    Ausserdem ist Steamen im vierten Trimester eine ideale Selfcare-Routine für die frisch gebackene und übermüdete Mama.

    Zu den Benefits bei postnatalem Steaming gibt es sogar eine Studie von der kalifornischen Steaming-Meisterin, Keli Garza. Diese Studie zeigt, dass mit Hilfe von Steaming unter anderem das Körpergewicht der Gebärenden rascher abnimmt, Schamlippenrisse und Dammnarben signifikant schneller heilen und der Wochenfluss früher nachlässt. Die Frauen in der Studie haben schon ab Tag 4 nach der Geburt angefangen zu steamen. Ich persönlich würde ein bis zwei Wochen warten.

  • Steamen während der Wechseljahre: Nach der Menopause, also nachdem die Blutungen definitiv ausbleiben, ist Scheidentrockenheit ein häufig Problem, das zu wenig thematisiert wird. Häufige Symptome sind Juckreiz und weniger Flow im Liebesleben. Steaming befeuchet, ohne auszutrocknen. Deshalb ist es so wichtig, dass der Dampf nicht zu heiss ist und wir keine ätherischen Öle reinträufeln. Am besten zusätzlich noch Intimöl verwenden – auch gut für die Libido.
  • Steamen bei Infektionen: Unsere Vagina ist selbstreinigend. Dafür ist die Monatsblutung schliesslich da. Unsere Kultur gibt uns aber gerne das Gefühl, dass wir “da unten” schmutzig sind und darum Pflegeprodukte für den Intimbereich brauchen. Haben wir bakterielle Infektionen, bekommen wir erst recht medizinische Cremes verschrieben. 
    Auch diese sind invasiv. Sie bringen unsere Vaginalflora noch mehr durcheinander. Steaming unterstützt den Körper darin, das Gleichgewicht zwischen guten und schädlichen Bakterien wieder herzustellen, respektive hilft ihm, sich selbst zu heilen. 

    Ich habe letzten Winter in zwei Monaten meine bakterielle Vaginose weggesteamt. Und seither hatte ich nie mehr Juckreiz! (Auch hier wichtig, nie zu heiss steamen!) Besonders hilfreich bei Infektionen ist es, wenn wir uns eine Beratung gönnen und die passenden Kräuter verwenden.
Photo credit: Debby Hudson

Steamen hat sich auch bei der Behandlung von Harnwegsinfekten und Hämorrhoiden bewährt. Auch bei PCOS, Schmerzen beim Sex, unerfülltem Kinderwunsch, Fibrosen, Zysten, Endometriose und weiteren Beschwerden kann diese einfache Technik Linderung oder Lösungen bringen.

Kein “quick fix”

Steamen ist wie jede andere alternative Heilmethode kein “quick fix.” Es wirkt nur, wenn wir es mit einer gewissen Kontinuität machen. Aber zehn Minuten an bestimmten Tagen des Monats reichen schon aus, um Ergebnisse zu spüren. Die Zeit, während der wir über dem Topf sitzen, können wir nutzen, um eine Kerze anzuzünden, ein Buch zu lesen, zu meditieren oder einen Tee zu schlürfen. 

Wenn Steamen nicht zu einem weiteren Punkt auf unserer To Do Liste wird, kann es unser Ritual für Selbstfürsorge und Entschleunigung sein. Eines, das uns mit uralter Frauenweisheit und unserer Lebenskraft verbindet.

Möchtest du herausfinden, wie du Steamen für deine individuellen Bedürfnisse einsetzen kannst? Ich kann dir Dianas Beratungen mit ayurvedischem Hintergrund wärmstens empfehlen (in Deutsch und Englisch). Du kannst auch hier unseren Instatalk nachhören und -schauen. Diana hat auch ein Anleitungsvideo für Einsteigerinnen. 

Wenn du eine Anbieterin in deiner Nähe suchst, dann wirst du auf dieser Liste sicher fündig.

Gerne kannst du Fragen, Erfahrungswerte und Unsicherheiten unten in den Kommentaren teilen. Together we learn, together we rise.