Unterwegs zu meinen Yogalektionen am Montagmorgen vor ein paar Wochen, wollte ich am liebsten wieder umkehren. Die Erschöpfung vom Unterrichten kam mir bekannt vor. Sie kommt in Wellen, vor allem wenn ich mir zu wenig Auszeiten nehme. Aber vielleicht zum ersten Mal in diesen fünfzehn Jahren fragte ich mich ernsthaft: Ist ein Sättigungspunkt erreicht?

Seit Januar hatte ich zu viel gearbeitet, vor allem auch an Wochenenden. Ich war oft weggewesen von meiner Familie und hatte mir zu wenig Erholung organisiert. Zum ersten Mal stellte ich mir aber ernsthaft diese Fragen: Kommt die Inspiration wieder zurück? Wollen mir die Zweifel etwas sagen? Ist es Zeit für eine Neuausrichtung?

Ich beschloss, andere Yogalehrer:innen zu ihren Erfahrungen zu befragen. Wie ich, unterrichten sie schon über zehn Jahre, die meisten hauptberuflich, also mit Yoga als Haupteinnahmequelle. Ich wollte herausfinden, ob die Freude am Unterrichten sicher zurückkommt. Und ob die Erschöpfung ein ernstzunehmender Wegweiser ist.

Erschöpfung und ihre Nebenwirkungen

Aus Erzählungen, manchmal nur hinter vorgehaltener Hand, weiss ich, dass praktisch alle Yogalehrer:innen Phasen der Erschöpfung durchleben. Der Job verlangt viel: körperlichen Einsatz, verbale Moderation, Administration und Vermarktung im Hintergrund, Empathie, soziale Interaktion und sich zeigen, ähnlich wie auf einer Bühne.

Trotzdem wird man mit Yoga nicht reich, und manchmal fehlt es an Wertschätzung für alles, was wir in die Vorbereitung, Weiterbildung und Präsenz investieren.

Jede Person, die ich befragte, berichtete mir, dass sie auch nach langer Zeit immer noch mit Begeisterung unterrichtet. Gleichzeitig kennen alle das Gefühl der Erschöpfung nach einer dichten Unterrichtswoche, nach einem Retreat oder einem Intensiv-Wochenende. Dann ist die Luft erst mal draussen.

Yogalehrer:innen zum Wechselbad zwischen Erschöpfung und Freude

Christina Eggenschwiler ist eine der gefragtesten Anatomie-Ausbildnerinnen in der ganzen Schweiz. Ihr Pensum setzt sich aus einem anspruchsvollen Mix aus Gruppenstunden, Einzelsessions und Ausbildungs- und Retreat-Wochenenden zusammen.

Sie kennt das Gefühl von Ermüdung und Übersättigung. "Mittlerweile weiss ich jetzt aber, dass ich deswegen nicht gleich alles in Frage stellen muss", sagt sie. "Wenn ich mich selber nicht mehr reden hören kann, weiss ich, es ist Zeit für eine Pause. Und für neue Inspiration. Ich frage mich dann wieder: Worauf habe ich eigentlich so richtig Lust? Was möchte ich weiter geben?"

Yogalehrerin Manuela Peverelli führt seit einigen Jahren mit ihrem Partner die Metta Villa, ein Retreat-Zentrum in Südwestfrankreich. Von dort pendelt sie alle paar Monate zurück nach Zürich, um zu unterrichten. Die Abstecher in die Schweizer Heimat sind aus Effizienzgründen vollgepackt mit Unterrichtseinheiten. Erschöpfung kennt sie daher gut, Langeweile weniger. "Beim Unterrichten gibt es für mich keine Wiederholungen", sagt sie.

Evelyn Hunger, Yogalehrerin und Ayurveda-Therapeutin im Engadin, kennt die Unlust am Unterrichten nicht. Sie hat Yoga nie zu ihrer Hauptbeschäftigung gemacht. Sie pendelt zwischen ihrem angestammten Beruf als Expertin Notfallpflege, zwischen der Ayurveda-Praxis und der Yogamatte. Das kann definitiv ermüdend sein!

Doch auch wenn die unterschiedlichen Beschäftigungen in starkem Kontrast stehen, erlebt Evelyn es so, dass sie sich gegenseitig ergänzen und befruchten. "Ich kenne vielmehr die Selbstzweifel", sagt sie. "Wenn ich müde werde, dann frage ich mich, ob ich den Menschen in meinen Kursen einen Mehrwert bieten kann, ob sie wirklich profitieren.

Sarah della Pietra führt seit 2008 mit bewundernswerter Konstanz ihren Raum für Yoga in Zürcher Kreis 3. Sie unterrichtet jeweils Montag bis Mittwoch und sagt mir, dass sie selten erschöpft sei. Am Mittwochabend auf dem Heimweg, wenn sie die Wochenlektionen hinter sich hat, atme sie schon auf.

Aber da sie für den Rest der Woche "nur" noch administrative Aufgaben erledige und für die Familie da sei, könne sie sich gleich wieder auffangen. "Ich bin einfach der Lehrertyp", sagt sie. "Schon als Kind wollte ich immer alles teilen, was mir Freude bereitet. Deshalb mache ich es auch nach fast zwanzig Jahren immer noch gern."

Ich befragte auch meinen Yin-Yoga-Lehrer Josh Summers, der bis zur Pandemie von Boston durch Europa tourte, um Ausbildungen in verschiedenen Ländern zu unterrichten. Fremde Betten und Küchen, aus dem Koffer Leben und das wöchentliche Wiederholen derselben Kursinhalte gingen an seine Substanz. Einmal landete er in Spanien und bekam sofort Gürtelrose, weil er so ausgebrannt war. Das war ein Weckruf.

Heute lebt er mit seiner Partnerin in Maine, auf dem Land, und bietet viele online Inhalte für seine treue Community an. "Diese neuen Lebensumstände wirken sehr verjüngend auf mich", sagt er. "Ich unterrichte immer noch gerne. Vielleicht gerade auch, weil ich mich eher in einer Hebammen-Funktion sehe. Ich halte den Raum, damit andere Menschen ihren persönlichen Prozess machen können."

Pausen und die eigene Praxis

Ferien macht Sarah della Pietra fast so viel wie ihre Kinder schulfrei haben, also dreizehn Wochen pro Jahr. Auch Manuela hat durch ihren Wohnsitz in Frankreich immer wieder unterrichtsfreie Phasen, die sie gerne auch als Familienauszeit nutzt.

Christina erzählt mir, sie habe letztes Jahr nur eine Woche Ferien gemacht, danach aber ihre Lektion gelernt. Dieses Jahr hat sie sich bereits mehr Erholung, mindestens fünf Wochen, organisiert. Josh versucht im Winter und im Sommer eine zwei- bis dreiwöchige Pause einzulegen, während der er nicht unterrichtet, aber viel im Hintergrund arbeitet.

Wenn ich auf meine fünfzehn Jahre als Yogalehrerin zurückblicke, kann ich mich nicht erinnern, jemals länger als drei Wochen nicht im Studio gewesen zu sein - mit Ausnahme natürlich des Mutterschaftsurlaubs, der ja null mit Urlaub zu tun hat.

Dabei könnten wir vorleben, wie es aussieht, als Yogalehrende bewusst in unsere Erholung investieren.

Auch berichteten mir alle befragten Kolleg:innen, dass ihre eigene Yogapraxis - egal ob mit Fokus auf Meditation, Atemübungen oder körperlichen Stellungen - eine Inspirationsquelle für's Unterrichten ist. Die Selbsterfahrung ist tatsächlich ein Schlüssel für die eigene Motivation. Allerdings bleibt - abgesehen von meiner Morgenmeditation - meine eigene Yogapraxis aus Zeitgründen oft auf der Strecke. Dann fühlt es sich an, als würde ich mir meine Lektionen aus den Fingern saugen.

Das Yoga-Rad lässt sich nicht neu erfinden. Aber aus den einzelnen Bausteinen der Yogapraxis ergeben sich unzählige Variationen und Kombinationen. Wir können über die persönliche Exploration immer wieder neu zusammensetzen und entdecken. Das beschert uns immer wieder Dopamin-Schübe, und wir bewahren uns die Freude.

Selbststudium und Inspiration

Alle meine Gesprächspartner:innen nannten als Gegenmassnahme zur Erschöpfung auch die Inspiration von aussen. Viele lesen Bücher, die wenig bis gar nichts mit Yoga zu tun haben. Christina zieht viele Impulse aus ihren Outdoor-Aktivitäten. Auch Evelyn verbindet gerne Zeit in der freien Natur mit sportlichen Aktivitäten. Sarahs Herz schlägt in letzter Zeit für Spiraldynamik, und Manuela studiert buddhistische Psychologie. Josh ist dankbar, dass er an seinem neuen Wohnort in Maine wieder eine Jazzband gefunden hat, wo er Saxophon spielt.

Wenn wir unsere Horizonte erweitern oder uns mit anderen Themen konfrontieren, bewegen wir uns aus der Yoga-Bubble heraus, treffen Menschen mit anderen Sichtweisen, Hintergründen und Lebensgeschichten. Das schenkt uns Distanz zu unserem beruflichen Alltag - und somit auch Erholung. Ausserdem lassen sich unsere Interessen, die nur marginal mit Yoga zu tun haben, optimal damit verbinden. Im besten Fall ergänzen sie Yoga dort, wo es zu kurz greift.

Für die Erholung scheinen sowohl der Blick in die Ferne wie auch das Vertiefen des Bekannten relevant zu sein. "Studium und Praxis, das fasst es für mich zusammen", sagt Josh. Sie erhalten die Freude am Unterrichten.

Den Sinn sehen

"Als ich anfing, dachte ich, Unterrichten bedeute, alle Antworten zu haben", sagte Josh zu mir. "Heute möchte ich Räume erschaffen, in denen Menschen den Weg zu ihren persönlichen Antworten beschreiten. Ich helfe höchstens dabei, die Fragen zu formulieren."

Ich denke, wenn wir in unserem Wirken als Yogalehrpersonen einen Sinn sehen, brennen wir nicht so leicht aus.

Ich persönlich bin auch überzeugt, dass viele Menschen auf der Suche sind nach Inseln der Stille. Wenn diese den Alltag auch nur für kurze Zeit unterbrechen, haben wir die Möglichkeit mit unseren Gedanken, Emotionen und Bedürfnissen in Kontakt zu kommen und gut für uns selber zu sorgen.

Yoga zu unterrichten kann deshalb einzigartig sinnstiftend sein. Das gibt uns Lehrpersonen im besten Fall sehr viel zurück von dem, was wir investieren. Trotzdem gibt es auch eine physische und energetische Realität. Wir kommen nicht darum herum, den Tank auch auf diesen Ebenen wieder aufzufüllen, egal wie seelisch erfüllend unsere Tätigkeit ist.

Standortbestimmung und toxische Positivität

Ein Phänomen, das ich in der Yoga-Bubble oft beobachte, ist die toxische Positivität. Wir glauben, wenn wir Yoga unterrichten, müssen wir der lebende Beweis sein, dass unser Produkt - der Yoga-Unterricht - wirklich funktioniert und langfristig vital und glücklich macht.

Das führt dazu, dass wir negative Emotionen und körperliche Rückschläge leugnen. Dabei ist ein fantastischer Nebeneffekt von Yoga, dass es unsere (Selbst-)Beobachtungsfähigkeit stärkt.

Wir werden nahbarer und im besten Fall können unsere Erfahrungswerte und Strategien auch anderen nützlich sein.

Manchmal ist es sinnvoll, abzuwarten und die Ermüdung auszusitzen. So machen wir die Erfahrung, dass unser Enthusiasmus sich wieder erneuert und die Reise weiter geht. Wenn dies der Fall ist, erleben wir, dass eine überstandene Krise noch mehr Verbundenheit und Innigkeit schafft - ähnlich wie in einer Liebesbeziehung. Manchmal zeigt das Aussitzen auch, dass wir aus gewissen Kleidergrössen rausgewachsen sind und sie nicht mehr passen.

Diesmal wollte mir die Erschöpfung etwas sagen

Ich liess mir Zeit und wartete ab. Mit jeder Woche, die verging, verstand ich, dass alles zusammen zu viel geworden war. Lange hatte ich mich vor allem auf die regelmässigen Wochenkurse konzentriert. Als unsere Kinder älter wurden, wurden komplexere und zeitintensivere Formate wieder machbar: Workshops, Ausbildungen, Retreats, von denen ich mehr Erholung brauche. Plötzlich standen die Wochenkurse dieser im Weg.

Interessanterweise funktionieren die Wochenlektionen auch nicht mehr so gut wie früher: Weniger Menschen suchen mich so regelmässig auf. Es ist so wie Manuela sagt: "Manchmal hört die Resonanz auf. Teilnehmende interessieren sich weniger für unser Angebot. Ein Zeichen, dass dessen Lebensdauer dem Ende zu geht."

Auch habe ich in letzter Zeit immer öfter den Wunsch, mehr im Hintergrund und im stillen Kämmerlein zu arbeiten. Ich bin mir meiner privilegierten Position bewusst: Ich kann wählen, was ich weiterführe und was ich aussortiere, weil ich finanziell nicht auf alles zusammen angewiesen bin. Durchs Schreiben scheint sich eine Neuausrichtung organisch zu ergeben.

Erschöpfung ist ein ernstzunehmendes Signal. Wir müssen deswegen nicht unbedingt alles in Frage stellen. Aber wir dürfen.